Symposium in Rom 2008

Das schwer Fassbare. Symposion im Vatikan zum Thema "Mythen im Film"

Bericht von Michael Hertl in der Funkkorrespondenz

Ob Harry Potter, Batman oder James Bond - viele Helden des modernen Films bewegen sich nach Handlungsmustern, deren Ursprünge tief im kollektiven Gedächtnis der Menschheit wurzeln, in den Mythen der Vorgeschichte und der Antike. Zwar versteht sich das Christentum nicht in diesem Sinne als Mythos, doch die Schnittmenge der überlieferten Mythen mit dem Alten und Neuen Testament ist eine vortreffliche Quelle für fiktionale Film- und Fernsehstoffe. Deshalb hatte die kirchennahe Organisation "TOP-Talente", ein Verein zur Förderung von Autoren und Producern, zum dritten Mal seit 2006 zu einem Spnposion in den Vatikan geladen. "Mythen im Film" Iautete diesmal das Thema der dreitägigen Tagung, auf der Experten verschiedener Disziplinen in Vorträgen und Filmanalysen der Frage nachgingen, wie es gelingen könnte, das "Ungeheuerliche und schwer Fassbare" durch Rückgriff auf Urbilder und Charaktere des Heldenepos für film- und fernsehtaugliche Drehbücher zu nutzen.

Gerwin Dahm, Produzent aus Hamburg und Vorsizender von "TOP-Talente", hält nicht viel davon, über die "Erzählmisere in der Branche" zu lamentieren. Viel spannender könne es sein, sich auf der Suche nach neuen Stoffen und Strukturen in die "Mythen und Erzählungen aus der Kindheit der Weltgeschichte" zu vertiefen, um dadurch dramatische Handlungen neu zu begreifen. Dazu leistete der kreative Gedankenaustausch im Schatten der Kuppel des Petersdoms durch lebhafte Diskussionen der Teilnehmer mit den Referenten aus der Medienbranche und der Wissenschaft einen profunden Beitrag. Angela Heuser, Dramaturgin und Dozentin in der "TOP-Talente"-Autorenwerkstatt, stellte das Konzept der "Heldenreise" am Beispiel des Sat-l-Films "Das Zimmermädchen und der Millionär" (2004) vor.

Der Kunsthistoriker und Theologe Heinrich Wilhelm Pfeiffer, Professor an der Päpstlichen Universität Gregoriana, erläuterte an Gemälden das Ineinandergreifen der christlichen Kunst und der Mythen der Antike. Die Botschaft des Christentums habe zu einer "doppelten Transzendenz" geführt, zu einem christlichen und einem paganen "Himmel" (ohne dass sich das Evangelium jemals als Mythos verstand), die auf gleiche Symbole und Bilder verweisen. Jede Kunst, so Pfeiffer, bedeute immer eine "Darstellung des Lebens, das die Vermittlung widersprüchlicher Prinzipien" verfolge - und somit auch die dramatischen Konflikte fiktionaler Stoffe umfasse.

Wie Mythos und Christentum im Spielfilm aufbereitet werden. referierte Andrea De Santis, Professor an der Benediktiner-Hochschule Sant' Anselmo, mit einem Rückblick auf die Grundlagen der antiken Philosophie sowie anhand verschiedener Beispiele aus jüngeren (internationalen) Filmen, in denen das Schicksal von Priestern im Mittelpunkt steht. Harald Meller, Landesarchäologe in Sachsen-Anhalt, machte mit Querverweisen auf die ethnologische Forschung deutlich, wann und wie sich Mythen in der Ur- und Vorgeschichte der Menschheit aus den Fragen nach Sinn und Sein entwickelt haben.

Der Autor und Regisseur Hans-Christoph Blumenberg wählte mit der Produktion "Pans Labyrinth" (beim Oscar 2007 u.a. nominiert als bester fremdsprachiger Film) ein besonders eindrucksvolles Beispiel aus, um den mythischen Gehalt eines Films zu dekodieren, der mit einer "realen" und einer "märchenhaft-mythischen" Erzählebene eine ungeheure Wirkung und Aussage erzielt. Ganz aus naturwissenschaftlicher Perspektive demonstrierte der Hamburger Astronom Rahlf Hansen, wie der Sternenhimmel in Vorzeit, Antike und Christentum zur Quelle von Mythen und zum Spielball von Religion und Politik wurde.

Heimatidyll und ödipus-Motiv

Zum Abschluss wurde im päpstlichen Filmsaal der deutsche Film "Hierankl" (2003) vorgeführt - ein Film über das dramatische Zerbrechen einer auf den ersten Blick harmonischen Familienidylle. Anschließend stellte sich Autor und Regisseur Hans Steinbichler der Diskussion mit den Teilnehmern. Während es eines der erklärten Ziele von Steinbichler war, mit seinem Film den "Mythos des bayerischen Heimatidylls" in Frage zu stellen, erkannten viele der Teilnehmer das im Mittelpunkt stehende Ödipus-Motiv als den stärkeren Myhos - auch ein Zeichen fur die heute noch wirksame Kraft und Aktualität der alten Uberlieferungen.

Das große Interesse am Symposion im Vatikan war für Anton Magnus Dorn, Geschäftsführer von "TOP-Talente", und für Pfarrer Dietmar Heeg von der mit veranstaltenden Katholischen Fernseharbeit nicht nur dem symbolträchtigen Ort geschuldet. Bildung, Wissen und Kommunikation, so die Veranstalter, seien wichtige Voraussetzungen für die qualitative Weiterentwicklung des Film- und Fernsehprogramms. Und Veranstalter und Medienschaffende waren sich am Ende des Symposions einig: Wer sich im fiktionalen Bereich ernsthaft mit den Fragen unserer Zeit beschäftigt, kommt auch an den Erzählungen der christlichen Tradition nicht vorbei.

25.4.08 - Michael Hertl/FK F U N K K O R R E S P O N D E N Z 17.2008