Symposium in Rom 2010

Anmerkung einer Klosterfrau zur Fernsehserie von Michael Baier

von Sr. Brigitte Werr OSU

"Um Himmels Willen"

Vor ein paar Tagen wollte meine Schwester am Telefon wissen, was ich in Rom mache. Als ich ihr erzählte, dass ich etwas zu der Serie "Um Himmels Willen" sagen wollte/sollte, meinte sie: "Ach je, das ist doch vollkommen wirklichkeitsfremd!" Sie ist ziemlich kirchenfern, hat aber nicht zuletzt durch mich einiges vom klösterlichen Leben mitbekommen. Mein Versuch, ihr aufzuzeigen, dass bei aller Karikatur doch einiges wiederzuerkennen sei, überzeugte sie nicht, sondern sie entließ mich aus dem Thema mit einem ernüchternden „Dafür ist mir die Zeit zu schade!" Dieses im Ohr, stehe ich nun hier. Auf der anderen Seite kenne ich erstaunlich viele Menschen, auch unter meinen Mitschwestern, die sich den Dienstagabend möglichst frei halten, weil sie „Um Himmels Willen nicht verpassen möchten.“ Was gilt nun? Vielleicht ist es gerade der Humor,  das Thema Ihres Symposions, der die Geister scheidet. Nicht jeder kann über Nonnen und Kloster lachen oder auch nur lächeln.

Ordensleute sind in letzter Zeit offensichtlich wieder einmal attraktiv für das Fernsehen. Aber dass sie es zu einer Serie über neun Staffeln mit mehr als hundertzehn Sendungen bringen, und dann noch zur allerbesten Sendezeit, das ist schon einmalig!

Aber vielleicht sollte ich mich erst einmal kurz vorstellen: Ich bin Ursuline und das seit 40 Jahren, Naturwissenschaftlerin, gebürtige Berlinerin, war 38 Jahre im Schuldienst, arbeite seit einigen Jahren als Webmaster und Mädchen für alles in der Öffentlichkeitsarbeit der Föderation deutschsprachiger Ursulinen und bin derzeit Koordinatorin des AVO, des Audiovisuellen Ordenstreffs, der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Ordensobernkonferenz für Ordensleute und deren Mitarbeiter in der Medienarbeit. Dabei kann ich gar nicht das übliche Klischee bedienen; kein Habit und alles andere als jugendlich. Aber ich hoffe, Sie haben damit kein Problem, ich habe jedenfalls keines. Schließlich ist auch Sr. Hanna in Bezug auf den Habit recht flexibel und in ihrem Verhalten viel weniger orthodox als ich. Vor allem letzteres macht sie sicher vielen sympathisch.

Nonnen als Sympathieträger, das ist gerade jetzt im Zuge der unsäglichen Missbrauchs-Diskussion, die allmählich auch auf die Frauenorden überschwappt, bemerkenswert. Das tut uns Original-Nonnen gut und dafür dürfen wir Ihnen, lieber Herr Baier, von Herzen danken. Wir freuen uns deshalb mit Ihnen, dass Ihre PR-Arbeit fürs Klosterleben nun auch im Kreis Ihrer Kollegen gewürdigt wird; wir sind regelrecht stolz auf Siel

Mich beschäftigt die Frage: Was macht Sr. Hanna und ihre Mitschwestem eigentlich so sympathisch? Wahrscheinlich macht es die Mischung: die Mischung aus überzeichnetem Kloster-Klischee - mit der Möglichkeit des vermeintlichen Wiedererkennens: „Ach ja, so leben sie!" - und dem unerwartet anderen Verhalten, vor altem Sr. Hannas meist sehr unkonventionelle Wege zur Lösung eines menschlichen Problems. Das kann dann auch schon mal grenzwertig ausfallen wie etwa in Hannas Erlebnis mit dem Gigolo in Folge 108 - gilt dafür auch: Bei Gott, oder besser Mit Gott ist kein Ding unmöglich?

Persönlich habe ich Sympathie für Hannas Mitschwestem Sr. Agnes und Sr. Felizitas. Die sind mir schon in dem einen oder anderen Konvent begegnet - das ist so ein Wiedererkennen für Insider. Beide sind mit ihren Schwächen und ihren ja auch erkennbaren menschlichen Stärken, wenn es keine Karikatur wäre, würde ich sagen: authentisch, und auf alle Fälle liebenswürdig und irgendwie liebenswert. Dabei zuckt es einem schon manchmal in den Mundwinkeln, zum Beispiel wenn Sr. Felicitas in unnachahmlicherweise ihr Gesicht verzieht

Ganz anders geht es mir mit der Figur der Mutter Oberin, Frau Reuter, wie Sie sie auch nennen: Ein solches Maß an autokratischem Verhalten, das auch vor Schachzügen am Rande der Legalität nicht zurückschreckt, kann ich mir glücklicherweise bei uns Ursulinen nicht vorstellen. Glaubwürdig wird die äußerlich so harte Frau immer dann, wenn einmal ihre verdrängten Gefühle durchscheinen. Trotzdem: Würde ich ihr in meiner Gemeinschaft begegnen, dann hätte ich ganz sicher ein Problem. Ich wüsste gern, wen Sie hier karikiert haben!

Ich wüsste auch gern, ob Fritz Wepper inzwischen öfter mit „Herr Wöller" angeredet wird, so sehr scheint er mit der Rolle des dümmlich schlitzohrigen Bürgermeisters verwachsen.  

Ich möchte nicht alle Rollen durchgehen: Wöllers, Hubers, Meiers, Labans und so weiter begegnen mir durchaus auch im „wirklichen Leben" - letztere nicht unbedingt so albern liebestoll wie in den letzten Folgen. Im Film darf ich über diese Typen ungeniert lachen, fragt sich, auf wessen Kosten ich lache.

Ehrlicherweise muss ich gestehen: Ich habe nicht alle Folgen gesehen. Aber das macht ja gar nichts. Selbst wenn mir meine Mitschwestem nichts erzählen, kann ich beim nächsten oder übernächsten Mal problemlos wieder einsteigen. Das ist ja Symptom der Serien. Erstens kennt man nach einer Staffel das Strickmuster der Story: Wöller - Hanna- Oberin -Huber usw. Die Konfliktpartner sind klar. Das hat sich bestens bewährt. Allerdings: Früher fand ich die Lebensnähe schon mal größer. Eine Folge der vorigen Staffel hat mich allerdings sehr berührt: Sr. Hannas Begegnung mit ihrem dementen Vater in „Abschied für immer" (Folge 101).

Ein zweites, dem „Gesetz der Serie" geschuldetes Symptom scheint mir - und das ist durchaus eine kritische Anfrage -, dass es in 110 Folgen keine wirkliche Entwicklung gibt, weder in Bezug auf den immer wieder in Frage gestellten Fortbestand des Klosters Kaltenthal noch in Bezug auf die einzelnen Personen. Vielleicht sind meine Erwartungen an die literarische Qualität eines Serien-Drehbuches zu hoch, denn der Erfolg scheint Ihnen ja Recht zu geben.

Mein Fazit

Ich freue mich über die sympathisch-klamaukige kloster-freundliche Abendunterhaltung als Alternative zu den schnellschnittigen Serien à la „Geld, Macht usw." und den zunehmend brutaleren Krimis.

Ich freue mich über den freundlichen, augenzwinkernd karikierenden Blick auf uns Nonnen.

Und schließlich: Ich freue mich, dass die Schwestern von Kaltenthal eine so positive gesellschaftliche Relevanz haben, indem sie mit Gottvertrauen und Zivilcourage soziale und zwischenmenschliche Probleme lösen. Ich verstehe das über die Fernsehserie hinaus als einen unwahrscheinlichen Vertrauens-Bonus, den wir Ordensfrauen offensichtlich auch in einem säkularen Umfeld haben.

Herzlichen Glückwunsch, Michael Baier!

Sr. Brigitte Werr OSU

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