Symposium in Rom 2012

Thema: "Heimat” und “Fremde"

In der Fremde ganz nah: die Heimat

Artikel von Annarose Margot Kehl in der Funkkorrespondenz vom 03.04.2012
"Heimat" und "Fremde" im Film: 7. TOP-Talente Symposion in Rom

Migranten, Vertriebe, Wanderarbeiter: immer mehr Menschen machen die Erfahrung, ihrer Heimat freiwillig oder unfreiwillig entwurzelt zu sein und in der Fremde ihre Identität neu und teilweise schmerzhaft suchen zu müssen. Die “Heimat” ist deshalb auch in Film und Fernsehen wieder in den Fokus gerückt, knüpft jedoch nicht an trachtenreiche Landschaftsfilme oder ideologisierte Interpretationsformen vergangener Jahrzehnte an, sondern feiert in der Verknüpfung mit des Deutschen liebstem Filmkind, dem Krimi, im “Heimatkrimi” eine Renaissance und hohe Quoten.

Dies war Anlass für die Veranstalter, TOP-Talente, Akademie für Film- und Fernsehdramaturgie, München, in Kooperation mit der Katholischen Fernseharbeit in Frankfurt am Main, das Thema an zwei Tagen im März zu beleuchten: 1) “Entzogene Heimat und gefährdete Erinnerung als Identitätsmotiv”, 2) “Heimat in der DDR” und 3) “Weltfremd. Die geistige Heimat von Muslimen”, vorgetragen von erstklassigen Referenten aus der Wissenschaft und von der Defa-Stiftung. Die Vorträge wechselten mit Filmbeispielen und Diskussionen zwischen den an den Petersdom gereisten Filmemachern und Autoren sowie den rund 40 Teilnehmern ab. Konzeptionell vorbereitet und souverän geleitet wurde das Symposion von Dr. Almuth Hammer und Dr. Anton Magnus Dorn.

Beim Ringen um eine Begriffsdefinition kristallisierte sich Folgendes heraus: Heimat ist ein Netz, in das man sich fallen, zurückfallen und verstricken kann. Auch auf den Satz “man kann die Menschen aus der Heimat vertreiben, nicht aber die Heimat aus den Menschen” fand Anklang. Einig waren sich alle, Heimat als Gefühl der Verbundenheit mit Menschen, der Sehnsucht nach einer Landschaft, einer Sprache, einem Dialekt, kulinarischen Spezialitäten, regionalen Kuriositäten zu sehen. Doch unübersetzbar schien der deutsche Begriff “Heimat” in andere Sprachen.

Vorlagen für die Suche nach der Definition lieferten vor allem die hochinteressanten Ausführungen von Prof. Friedhelm Hartenstein, Professor für Altes Testament, LMU, München, von Helmut Morsbach, Vorstand der DEFA-Stiftung, Berlin und von Dr. Dr. Felix Körner, Professor für Islamwissenschaften, Päpstliche Universität “Gregoriana”, Rom.

Wie zu Zeiten des Alten Testaments, in der babylonischen Gefangenschaft der Begriff “Heimat” verstanden wurde, erklärte Friedhelm Hartenstein anhand von Psalm 137. In der Beklagung der verlorenen Heimat, dem Zionsberg, und der gefährdeten Erinnerung daran liegt der örtliche Bezugspunkt für die Identität. Auch der Islam, so Felix Körner, entsteht in der Begriffswelt von Judentum und Christentum, sieht Heimat jedoch als geistige Heimat und Brücke zum Jenseits. In der DDR, so Helmut Morsbach und Iris Seidel von der DEFA-Stiftung in ihrem Vortrag, war die Vermittlung des Heimatgedankens ein wichtiger kulturpolitischer Auftrag.

Im Filmbeispiel für den Migranten zwischen zwei Welten wurde das “Das Geheimnis in Siebenbürgen” (Film und Gespräch mit Autor Thomas Kirchner, Regisseur Martin Enlen und Redakteur Pit Rampelt), gezeigt. In dem Film, der am 14. Mai 2012 im ZDF ausgestrahlt wird, geht es um die Geschichte der Siebenbürgener Sachsen in Rumänien, dargestellt an einem Geschäftsmann, der 1987 aus Siebenbürgen ausreiste, bis er berufsbedingt wieder in seine eigentliche Heimat und Vergangenheit zurückkehren muss. Durch seine Jugendliebe entdeckt er die wahre Geschichte über die früheren Verwicklungen mit der Securitate und damit auch ein schmerzliches Familiengeheimnis. Erst die Konfrontation mit der Wahrheit lässt ihm Luft zur Neuorientierung.

Vorgestellt und diskutiert von Reinhold Zwick, Professor für Biblische Theologie, Universität Münster, wurden weiterhin “Lost in Translation” von Sofia Coppola als Beispiel für das Verloren Sein in einer fremden Sprache, der Selbstreflexion und Neufindung, und Fatih Akins “Auf der anderen Seite”, in der die Spannung zwischen Heimat und Fremde thematisiert werden.

Im Film “Baching”, (Filmausschnitte und Gespräch mit Regisseur Matthias Kiefersauer und Produzent Martin Choroba, Tellux-Beteiligungs GmbH, München) kommt ein durch einen Unfall schuldig gewordener Bruder eines Wirtshausbesitzers zurück und kann sich neu zu seiner Heimat stellen und bleiben.

Krönender Abschluss war die mit tosendem Applaus bedachte Filmkomödie “Almanya – Willkommen in Deutschland”- im Jahr 2011 der vierterfolgreichste deutsche Kinofilm -über die Frage der Heimat und Identität türkischer Gastarbeiter in Deutschland. Damit zeigte erstmals bei TOP-Talente eine Muslimin ihren Erfolgsfilm. Die Autorin und Regisseurin Yasemin Samdereli erwähnte, sie habe zehn Jahre an den Vorbereitungen für den Film gearbeitet