Symposium in Rom 2013

Thema: "Würde im Film"

14.-16. März 2013

Oscarflair im Vatikan

Von Anne-Kathrin Berg

Einen Tag nach der Wahl von Papst Franziskus veranstaltete der Verein TOP: Talente zum achten Mal in Kooperation mit der Katholischen Fernseharbeit vom 14.-16. März ein Symposion für Autoren, Regisseure, Produzenten und Redakteure im Campo Santo Teutonico im Vatikan. Die Veranstaltung stand unter der Überschrift ‚Würde im Film’. Basierend auf informativen, teils philosophischen Vorträgen und ausgewählten Filmbeispielen wurde der Begriff ‚Würde’ vielfach diskutiert.

Höhepunkt war zweifelsohne das Gespräch mit Michael Haneke. Der Regisseur und frischgebackene Oscar-Preisträger lieferte zum Thema des Symposions einen positiven Definitionsversuch, obwohl es ursprünglich nicht seine Absicht war, ‚Würde’ zum Schwerpunkt seines prämierten Filmes ‚Amour – Liebe’ zu erklären. In seinem 127-minütigen Drama geht es um ein pensioniertes Ehepaar, dessen Beziehung auf die Probe gestellt wird, nachdem die Hauptdarstellerin einen Schlaganfall erleidet. Seine bemerkenswerte Antwort auf die Frage, wie in seinem Film ‚Würde’ einzuordnen sei, lautete wie folgt:

„Die Würde entsteht für mich durch die Liebe“, so der Oscar-Preisträger.

Sein Film, so sagte er, sei keine Abhandlung über das Alter, sondern beschäftige sich vorrangig mit der Frage, wie man mit dem Leid eines Menschen umgeht, den man liebt. Er habe es sich zur Aufgabe gemacht, das Publikum zum Dialog zu provozieren und tätigte deshalb auch kaum Aussagen über seine Sicht zum Film.
Zitat: „Darauf antworte ich nicht, sonst wären Sie ja von der Last entbunden und ich habe mich ja sehr bemüht, Ihnen eine aufzuhalsen.“ Dennoch gab er zu bedenken, dass sich die Frage nach ‚dem Umgang mit Würde’ in jedem Drama zwangsläufig stellen sollte.

Auch im Vortrag durch Professor Georg Sans, Professor für Philosophie an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom, wurde schnell deutlich, dass eine Kategorisierung des Begriffs nicht so leicht ist, wie man zunächst vielleicht annehmen würde. Nach seiner Einführung in die Überlegungen Kants und dessen Abhandlung über den ‚kategorischen Imperativ’ stellte Sans direkt die Wertigkeit des Artikel 1 / Grundgesetz: ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar’ zur Diskussion. Seine Gedanken hierzu begleiteten die Teilnehmer fortan durch das weitere Programm:

‚Würde als höchstes und schützenswertestes Gut des Menschen?’

Ebenso selbstverständlich dieses Recht in unserem Kulturkreis auf den ersten Blick erscheinen mag, ebenso häufig wird genau dieses dennoch mit Füßen getreten. Auch in demokratischen Gesellschaften zeigt sich, dass nicht immer und in jeder Situation klar ist, was unter Würde verstanden wird. Markus Schächter, der ehemalige Intendant des ZDF, gab zudem zu bedenken, dass es durchaus Sprachen gibt, die das Wort ‚Würde’ als Begrifflichkeit in ihrem Wortschatz überhaupt nicht vorsehen.

Insgesamt wurden während des Symposions drei thematische Schwerpunkte sowohl wissenschaftlich als auch filmisch besonders beleuchtet: Zum einen ging es um die ‚Unantastbarkeit der Würde’ auch in menschlichen Grenzsituationen, zum anderen ging es um die Thematik des ‚würdigen Alterns und würdigen Sterbens’ in unserer heutigen Gesellschaft. Professor Reinhold Zwick, Professor für Biblische Theologie an der Universität Münster und Mitglied der Katholischen Filmkommission, stellte in seinem Vortrag hierzu auch die zunehmend in Mode kommenden Euthanasiemodelle dar und wandte sich der Frage zu, wie man die ‚Diskriminierung im Alter’ (Ageism) verhindern könnte. Schließlich wurden auch Situationen angesprochen, in denen Menschen, körperlich oder seelisch Gewalt erleiden und diese somit die ‚Entwürdigung ihrer Selbst’ erfahren.

Ein wesentliches Schlagwort, das im Zusammenhang mit dem Begriff ‚Würde’ häufig fiel, war auch der Terminus ‚Selbstbestimmung’. Doch, dass ‚Selbstbestimmung’ die ‚Würde’ als solche nicht einzig und allein ausmachen kann, wurde schnell deutlich. Denn auch kleine Kinder, Behinderte oder z. B. Demenzkranke, die nicht oder nicht mehr selbstbestimmt entscheiden können, verdienen ebenso einen würdevollen Umgang. „Jedem Menschen muss auch in seiner Verletzlichkeit, seiner Fehlbarkeit und Schwäche das Recht auf Würde zugesprochen werden“, so Professor Hans Zollner, Professor für Psychologie und Vizedirektor der Päpstlichen Universität Gregoriana. Er referierte zum Thema Gewalt und die ‚Antastbarkeit der Würde’.

Doch was, wenn ein Mensch sein ‚Recht auf Würde’ einfordert, der ein verurteilter Mörder oder, wie Professor Sans es an einer Stelle bezeichnete, einfach ‚ein Schwein’ ist? Der hohe Anspruch bedingungslos ‚Würde für Jedermann’ zu gewährleisten, wird besonders in Fällen zur Zerreißprobe, wie im Mordfall des damals 11-jährigen Bankierssohn Jakob von Metzler, über dessen Schicksal das ZDF im vergangenen Jahr den eindrucksvollen Film ‚Der Fall Jakob von Metzler’ produziert hat.
Der verantwortliche Ermittler innerhalb des Entführungsfalls hatte dem Täter damals Gewalt angedroht, in der Hoffnung so zu erfahren, wo dieser den kleinen Jungen versteckt. Magnus Gäfgen, Entführer und Mörder des Kindes, klagte im Zuge dessen gegen diese Form der Polizeigewalt und das Gericht entschied, die verantwortlichen Beamten, für ihr ‚entwürdigendes’ Verhalten zu verurteilen.

Die Frage, ob die ‚Würde eines Opfers’ nicht über der ‚Würde eines Täters’ stehen sollte, wurde im Symposion nach der Filmvorführung heiß diskutiert. So war bei einigen Teilnehmern durchaus ein emotionales Verständnis für das Handeln des Polizisten spürbar, wenngleich man sich einig war, dass polizeiliche ‚Folter’ oder deren Androhung, keine Lösung bietet.  Im Gespräch mit der verantwortlichen ZDF-Redakteurin, Caroline von Senden, und dem Autor des Drehbuchs, Jochen Bitzer, bestand die Möglichkeit, sich im Anschluss nicht nur über die ‚Würde im Film’ zu unterhalten, sondern sich auch über die Missachtung derselben auszutauschen.

Da das Kapitel ‚Würde’ oft dann erst in den Fokus rückt, wenn sie bereits abhanden gekommen ist, stellte sich nicht nur die Frage nach einer sachgerechten Definition des Begriffes, sondern auch nach dessen Wertigkeit. So auch am letzten Tag.
Hier bot sich die Möglichkeit, im Plenum über weitere, interessante Aspekte zum Thema zu diskutieren und mit der Autorin, Sophia Krapoth, ins Gespräch zu kommen. In ihrem Film ‚Mit geradem Rücken’ (Sat.1 Produktion / 2012) geht es um sexuelle Belästigung von Frauen am Arbeitsplatz. Krapoth machte klar, dass die Machtausübung der Täter, die Würde der betroffenen Frauen oft so stark verletze, dass diese nicht selten auch in Bezug auf ihr eigenes Selbstbild einbrächen.

Im Gespräch pflichteten ihr viele Seminarteilnehmer bei und verurteilten scharf auch das häufige Schweigen, das ‚Nicht-Glauben-Schenken’ und besonders das Vertuschen solcher Übergriffe durch Personen im Umfeld. Dass die Opfer hierdurch ein weiteres Mal ihrer Würde beraubt und damit erneut zu Opfern werden, sei zutiefst unmenschlich.

Die Autorin sieht sich vor allem auch durch die zahlreichen, positiven Rückmeldungen einiger realer Opfer bestärkt, die sich auf den Film hin bei ihr meldeten. Gerade die Hauptdarstellerin des Films strahle vor allem Mut aus und fordere andere Betroffene auf, nicht länger zu schweigen. Dies beeindruckte sehr.

Das Symposion zeigte deutlich, wie wichtig es ist, die Diskussion zum Thema ‚Würde im Film’ zu führen und wie relevant sie durchaus auch für das reale Leben ist. Die Filmschaffenden erhielten hierdurch zudem wertvolle Anregungen für ihre Arbeit. Durch die angenehme Moderation von Dr. Almuth Hammer, Planung und Stoffentwicklung der Bavaria Fernsehproduktion München, und der Unterstützung durch den Geschäftsführer des Vereins TOP: Talente, Dr. Anton Magnus Dorn, konnte die Veranstaltung zu dem werden, was sie war: oscarreif.

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