Zoom-Talk Berlinale 2022

(c) Peter Himsel / Berlinale 2021

Aufzeichnung des TT-Zoom-Talks "Mediatheken / Digitale Strategien"

Die gesamte Online-Diskussion ist jetzt auf YouTube verfügbar.


Lineare TV-Sender starten digitale Offensive

Das ZDF stellt einen „zweistelligen Millionenbetrag“ für jungen Online-Content bereit. Experten prognostizieren Wachstum des Streamingmarktes von 40 auf 220 Mrd. Euro in sieben Jahren.

Um mehr junge Menschen für die Inhalte klassischer Fernsehsender zu begeistern, hat das ZDF einen „zweistelligen Millionenbetrag für jüngeren Content locker gemacht“. Das sagte Dr. Florian Kumb, Medienökonom und ZDF-Hauptabteilungsleiter für die Programmplanung, im Rahmen des Berlinale-Talks von „TOP: Talente – Akademie für Film- und Fernsehdramaturgie“. 372 Teilnehmer*innen verfolgten die Online-Diskussion zum Thema „Mediatheken / Digitale Strategien“ .

Neben Kumb sprachen auch Frank Tönsmann, WDR-Redakteur für Programmentwicklung, und Markus Vogelbacher, Managing Director der International-Film-Partners-Unternehmensgruppe über die Zukunft der visuellen Mediennutzung. Frauke Neeb, Programmdirektorin von RTL+, hatte ihre Teilnahme kurzfristig abgesagt.

Von der Umstellung des Fernsehprogramms zum nonlinearen Programm werde „die Zukunft der linearen Sender abhängen“, sagte Moderator, Geschäftsführer von Network Movie und TOP: Talente-Vorstand Wolfgang Cimera, und leitete die Debatte mit der Frage ein, wie die digitale Entwicklung die Arbeit der Kreativen beeinflussen werde.

„Wir werden viel fragmentarischere Erzählformen haben, Stichwort Instagram“, sagte Tönsmann: „Die Zuschauer erwarten deutlich stärker, dass auf ihre individuellen Bedürfnisse eingegangen wird, und ich glaube, das ist nur der Anfang einer viel, viel tieferen Veränderung“. Der Fokus von Programmentwicklern verschiebe sich von einem demografischen Zielpublikum auf die partikularen Interessen einzelner Communities. „Wir kämpfen um die Freizeit der jungen Leute und konkurrieren darum. Deswegen müssen wir unsere Ansprache an die Zuschauer ändern.“ Ein gutes Programm allein sei nicht genug. Es sei essentiell, dort, wo die Zielgruppen sich aufhalten, präsent zu sein und eigene Inhalte etwa in Sozialen Medien zu bewerben. Dafür müssten die Bereiche „Programm, Presse und Marketing der Sender viel enger zusammenwachsen und schon bei der Entstehung eines Programms zusammenarbeiten“, so Tönsmann.

Kumb ergänzte, dass die Taktik „mit der Schrotflinte möglichst viele zu treffen“ – wie früher zur Prime-Time um 20:15 im linearen Fernsehen – im Digitalen nicht aufgehe. „Eine Schwierigkeit ist: Wir müssen das Publikum erst finden und uns gezielter mit der Lebenswelt einzelner Zielgruppen auseinandersetzen. Das tun wir, indem wir Redakteure ins Feld schicken. Dann werden die Geschichten diverser und vielfältiger“, so Kumb, der damit auch auf die Zuschauerkritik anspielt, dass die öffentlich-rechtlichen Sender noch „zu weiß und zu alt“ aufgestellt seien.

Amerikanische Dienste expandieren nach Deutschland

Vogelbacher prognostizierte ein Wachstum des internationalen Streaming-Marktes von derzeit 40-Milliarden auf 220 Milliarden Euro binnen der nächsten sieben Jahre. Sehr viele konkurrierende Anbieter strömten auf den Markt, so komme mit AppleTV bald ein weiterer Player nach Deutschland. Mit dem Wachstum der Branche geht auch die Diversifizierung und Qualitätssteigerung mancher digitaler Inhalte einher. Netflix etwa habe damit angefangen, Arthouse-Programme mit hohen Budgets auszustatten. Private Sender wie „Pro7, Sat1 und RTL können ihre Quote mit den amerikanischen Blockbustern nicht mehr liefern und setzen auf einmal auf hochwertige Nachrichtenformate und Dokumentationen“, so Vogelbacher: „Wir haben qualitativ hochwertigen Content, aber gleichzeitig auch richtiges Trash-Fernsehen“. Insbesondere Dokus kämen bei jungem Publikum online besonders gut an. Auch Entertainment und fiktionaler Content sei zunehmend gefragt.

Neben den Genres und Inhalten künftiger Filmproduktionen spiele auch die Technik eine wachsende Rolle, so Cimera. RTL etwa plane eine große Entertainment-Plattform, auf der Podcasts, Musik, Serien und Liveereignisse gebündelt angeboten werden sollen. Facebook kündigte jüngst sein „metaverse“ an: Ist das ein Sprung, den die Mediatheken der klassischen Sender mitmachen müssen oder können?

„So wahnsinnig neu ist das nicht“, sagt Vogelbacher. „Virtuelle Messen, Home-Schooling usw. gehen ja bereits in die gleiche Richtung einer virtuellen Welt mit Teilnahmemöglichkeit“. Der Branchenexperte sieht die Entwicklung hin zu mehr Vernetzung und Plattformbindung auch in Deutschland kommen. Aber: „Die wirkliche Herausforderung für die öffentlich-rechtlichen und privaten Anbieter wird es sein, sich ein eigenes Profil zu schaffen. Die Technik wird nicht das Problem sein, sondern der eigene Markenkern inklusive passendem Geschäftsmodell.“ Für kreative Filmemacher*innen eröffne diese Entwicklung ein „wahnsinniges Potential, weil es viel mehr Genres, Möglichkeiten und Formen geben wird“.

Text: Philipp Adolphs, Berlin


TOP: Talente lädt ein zum ZOOM-Talk Berlinale 2022
mit dem Thema  „Mediatheken / Digitale Strategien“
                                                     

Wann: Donnerstag, 17. Februar 2021, 17.00 bis ca. 18.45 Uhr
Wo: Teilnahme über diesen Zoom-Link 

(Link anklicken – Registrieren – Es erscheint der Text: Um dem Webinar beizutreten. Nehmen Sie von einem PC, Mac, iPad, iPhone oder Android-Gerät aus teil: Klicken Sie bitte auf diese URL, um beizutreten)     

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 Im TT-ZOOM-Talk Berlinale geht es um 

„Mediatheken / digitale Strategien“

Der Fernsehkonsum befindet sich in einer Phase des großen digitalen Umbruchs. VoD-Angebote gewinnen immer mehr an Bedeutung und der Erfolg beim Umbau vom linearen in das non-lineare Programmangebot entscheidet über die Zukunft auch bereits etablierter Anbieter bzw. Sender. Aber welche Risiken und Chancen verknüpfen etablierte Sender mit dem Aufbau von Plattformen und Mediatheken, welche Strategien bestimmen die zukünftigen Entscheidungen und wieweit werden die neuen Geschäftsmodelle auch die Inhalte beeinflussen? Fragen von allgemeinem Interesse, aber auch besonders für die Macher von Programmen. 

Gäste:
Frauke Neeb: Programmdirektorin RTL+
Dr. Florian Kumb: Hauptabteilungsleiter Programmplanung ZDF
Frank Tönsmann: Redakteur Film und Serie beim WDR

Moderation:
Wolfgang Cimera: Produzent und Geschäftsführer von Network Movie, T:T-Vorstand

Im Anschluss an den ca. 70 Minütigen Berlinale-Talk werden Einreichungen zum Wettbewerb Change your life prämiert.