Berlinale Talk und Branchentreff 2024

KI und Filmrecht  (Autorin Diana Mantel)
Die Zukunft von KI und Kreativität
“Die Technologie wird nie wieder so schlecht sein wie heute”, erklärte Moderatorin Petra Kohnen bei der Eröffnung des Berlinale Talks und Branchentreffs von TOP: Talente zum Thema “KI und Filmrecht”. Und tatsächlich: Die KI entwickelt sich in einem so rasenden Tempo, übertrifft sich immer wieder selbst im Generieren von noch überzeugenderen Videos, Bildern und Texten, dass vor allem die Kreativen verunsichert sind: Wird die künstliche Intelligenz bald kreativer arbeiten als die menschliche? Wie können Kreative ihre Kunstwerke in Sachen Urheberrecht schützen? Und wo geht die Zukunft beim Thema KI, Kunst und Kreativität wirklich hin? 
Eine interdisziplinäre Diskussionsrunde
Das Publikum, das sich zu dieser Panel-Diskussion im Saal der Landesvertretung Sachsen-Anhalt eingefunden hatte, war bunt gemischt: Autor:innen, Produzent:innen, Regisseur:innen und andere Medienschaffende. Das Panel war ebenso interdisziplinär aufgestellt:
Als Vertreter aus Forschung und Recht:
Prof. Dr. Malte Stieper (Gundling Professur,  Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg, Bürgerliches Recht, Recht des geistigen Eigentums, Wettbewerbsrecht)
Fabian Stößer (Rechtsanwalt in der Medienrechtskanzlei GRAEF)
Als Vertreter:innen der Medienseite:
Bettina Friedrich (KI-Spezialistin Programmdirektion MDR)
Stefan Pfäffle (Leiter Redaktion Fiktion KiKA)
Jonas Baur (Produzent Bavaria FIction GmbH)
Als Vertreter:innen des transmedialen Serienkonzepts “Kurt”, in dem auch mit KI gearbeitet wurde
Dr. Marie Elisabeth Müller (Expertin für KI in Journalismus und Medien, Autorin, Hochschullehrende)
Steffen Boseckert (Regie & Filmproduktion mindcore productions)
Elena Kounadis (KI-Expertin, Grafikdesignerin, Autorin)
Moderiert wurde die Runde von Petra Kohnen (Geschäftsführerin TOP: Talente)
Wer nicht mit auf dem Panel saß: die KI. Aber natürlich war sie DAS Thema, mit der grundsätzlichen Frage: Ist sie Freund oder Feind, Konkurrenz oder Bereicherung? Die Panelisten sahen sie positiv, als Bereicherung, als spannende Schnittstelle und als nützliches Tool - aber auch als Herausforderung, bei der man flexibel bleiben muss.
KI konkret
Seit über einem Jahr erleben ChatGPT, Midjourney und Co. einen Quantensprung nach dem anderen, mit immer neuen Projekten. Gerade zieht vor allem die Video-KI SORA die Aufmerksamkeit auf sich, deren Videos zumindest auf den ersten Blick mit ihren realistischen Details überzeugen. Mit “BOOM - eine Band, 1000 Probleme” hat die ARD eine Serie produziert, in der die KI nicht nur eine der Protagonist:innen ist, sondern in der die Schauspieler:innen auch mit ihr improvisieren. Und das Serienprojekt “KURT”, das 2022 den Transmedia-Preis gewonnen hat, experimentiert im Trailer und den ersten gedrehten Szenen ebenfalls mit KI. Der titelgebende Senior Kurt lebt hier mit drei deutlich jüngeren Mitbewohner:innen zusammen, sodass sich Konflikte rund um die Begegnung von Alt und Jung ergeben, aber auch aus aufbrechenden (Kriegs-)Traumata und Erinnerungen - und die KI-Animationen machen diese noch mal sichtbar. 
Für den Regisseur Steffen Boseckert ist der Stoff etwas ganz Besonderes, da er auf auf einer realen Freundschaft zu einem Kriegsveteranen beruht, der ihm viel von früher erzählt hat - Geschichten, die auch Boseckerts Leben geprägt haben, ähnlich wie das bei “KURT” bei den Charakteren geschieht. Boseckert sieht KI hier als gutes Tool, um vor allem Rückblenden kostengünstiger und leichter zu erzählen. Nur im kreativen Prozess hat er mehr auf die menschlichen Kolleginnen vertraut: “Ich habe mit ChatGPT ganz am Anfang ausprobiert, wo die Dramaturgie hingehen könnte - das hat mir aber gar nicht gepasst. Umso glücklicher bin ich, was das Autorinnen-Team von KURT daraus gemacht hat.”
Wichtig ist immer der Mehrwert, den die KI bieten kann, so Marie Elisabeth Müller: “Gerade bei KURT geht es ums Erinnern, um Traumata, um unsichere Situationen, weil Zeitzeugen gestorben sind. Die KI kann hier Zeitkapseln bilden, die zeigen, worum es in der Serie noch geht - fernab von den Szenen mit den realen Schauspieler:innen.” Für Elena Kounadis ist die schöpferische Arbeit mit der KI ein bisschen wie das Orakel von Delphi: Man gibt seine Intention hinein, aber heraus kommt nicht immer das Gewünschte heraus - aber genau das kann den Reiz bei der Arbeit mit KI ausmachen. Denn so kann man sich von Unerwarteten inspirieren lassen und die richtigen Ergebnisse auswählen, um am Ende seiner Vision immer näher zu kommen. 
Neue Fragen, alte Antworten
Wie sieht es aber mit den Gesetzen aus - kommen sie in Sachen KI schon mit? Die Antworten sind da, betonte Prof. Dr. Malte Stieper, aber die Fragen haben sich verändert. Denn die bisherigen Gesetze betreffen genau die Themen, die auch beim Umgang mit KI wichtig sind, wie das Urheberrecht, aber sie wurden natürlich nicht speziell dafür geschaffen. “Bisher ist das Meiste mit den bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen lösbar, beispielsweise wenn noch nicht geschützte Daten im KI-Output auftauchen”, so Stieper. Vor allem die bald kommende KI-Verordnung wird den Fokus darauf legen, Risiken zu minimieren und den rechtlichen Rahmen wie beim europäischen Urheberrecht einzuhalten.
Eines ist Fabian Stößer besonders wichtig: “Man muss die KI entmystifizieren!” Wie Stieper empfindet er viele der KI-Fragen als gar nicht neu, er wünscht sich nur mehr Mut, sich diesen Herausforderungen zu stellen - und Mut bei den Kreativen, sich mehr rechtliche Unterstützung zu holen. Nur so entsteht eine bessere Rechtsgrundlage, nach dem Motto: bad cases make bad law. “Wir müssen neu denken: Mit Technologie, bei der wir sicher sind, und mit einem neuen kooperativen Prozess, in dem Mensch und Maschine zusammenarbeiten.” Und er als Jurist wünscht sich mehr Einsichten: “Juristen sind weder ITler noch Kreative, also muss man sie im Zweifel mitnehmen und ihnen zeigen, wie der kreative Prozess aussieht.” 
Für ihn steht die Frage nach dem schöpferischen Input im Mittelpunkt - wie kann man nachweisen, dass man selbst etwas geschaffen hat? Er schlägt hier exaktes Dokumentieren vor, auch aller Fehlschläge, damit man den ganzen Schöpfungsprozess notfalls immer offenbaren kann. Für Stößer ist die DSGVO ein wichtiges Vorbild in puncto kommendes Recht: “Erst wurde sie abgelehnt, dann hat sie andere dazu gebracht, mitzuziehen. Europa kann auch beim Thema KI-Recht die Vorreiterrolle einnehmen - wenn wir mutig sind!” 
Wilder Westen KI
Wie sieht es bei den Sendern in Sachen KI aus? Bettina Friedrich erzählt, dass sie sich noch genau an den Moment erinnert, als sie das erste Mal ChatGPT ausprobiert hat: “Mir war klar: Das ist ein Gamechanger und wird unsere Branche verändern.” Ein bisschen fühlt sich vieles noch wie der Wilde Westen an, in dem scheinbar alles möglich ist. Sie konnte selbst im Cyber Valley Tübingen Zeit verbringen und dabei lernen, was an KI-Projekten kommen wird - und wie man diese bewerten muss. Zwar wird die KI beispielsweise im Writers’ Room eingesetzt, aber bisher eher zum Zusammenfassen oder Strukturieren: “Wir sind noch weit weg von dem Moment, wo eine Dialogzeile wirklich übernommen werden kann. Dafür braucht man echte urheberische Kraft.”
Beim KIKA gibt es KI noch eher als Unterstützung bei Untertitelung und Audiodeskription, berichtete Stefan Pfäffle, und Bernd das Brot hat bereits einen ChatBot, der auch auf der Basis von KI arbeitet - aber noch sind die Projekte überblickbar. Auch für Jonas Baur fehlt noch der große Wow-Moment bei der KI: “Der Funke fehlt, es gelingt nie, etwas Einmaliges aus der KI zu holen. Immer fehlt das, was um die Ecke gedacht wird. Das können nur wir Menschen - vielleicht ist made by Humans irgendwann doch wieder das Qualitätsmerkmal, das eigentlich zählt.”
Niemand will Kodak sein
Für Baur ist vor allem entscheidend, dass die KI zwar immer mehr ermöglicht, aber dass die KI nicht alles übernehmen kann - diese Wunschvorstellung wird sicher lange nicht zur Realität werden. Friedrich betonte die viele Vorarbeit, die KI benötigt, um den gewünschten Output zu liefern, was natürlich mehr Zeit kostet als einspart. Und natürlich ist die KI menschengemacht und beurteilt manche Anfragen als unmoralisch, sodass beispielsweise Stoffe mit Krimi- oder Drogenthematiken gar nicht erst bearbeitet werden können - ein Rückfall in eine zu einseitige Bewertung, die nicht zukunftsweisend sein darf.
Müller weist auf die gesellschaftlichen Problematiken hin: Im Anthropozän bestimmt zwar der Mensch alles, aber KI-Technologien sind bereits stark in die Masse gestreut, ohne dass ihre gesellschaftlichen Auswirkungen geklärt ist: “Es gibt Gefahren, die wir im Auge behalten müssen und für die es viel mehr Medienkompetenz in der Bevölkerung bräuchte.” 
Am Ende gibt es aber auch ein besonderes Risiko: Die KI nicht zu benutzen. Denn sie wird die Branche gestalten und vielleicht verwandeln - und niemand will am Ende wie Kodak sein, das bei der Transformation der Fotografie nicht mithalten konnte. Die KI ist gekommen, um zu bleiben, und umso wichtiger sind die Diskussionen über die KI, was sie darf, was sie kann - und was nicht. In Zukunft wird es vielleicht wichtiger werden zu betonen, was bei einem kreativen Prozess nicht von der KI, sondern rein vom Menschen stammt - “made by humans” als ultimatives Qualitätsurteil. Und es gibt auch klare Grenzen für die KI, wie Boseckert betonte: “Die Emotionen entstehen am Ende immer noch aus uns heraus.”


Der Top: Talente-Talk über  „KI und Recht für kreativ Medienschaffende“ in Kooperation mit SACHSEN-ANHALT #moderndenken
 findet statt am Montag  19. Februar 2024 von 11:00 Uhr – 13:00 Uhr in der LV Sachsen-Anhalt  beim Bund in Berlin (Luisenstr. 18)

Das Know How der legalen Nutzung der neuen KI-Instrumente  bei der Gestaltung und Honorierung von Drehbüchern, Videos, Filmen, Serien, die mithilfe von KI-Sprachmodellen und Bewegt-Bild-Generatoren erstellt wurden sowie der rechtliche Umgang mit Künstlicher Intelligenz, Datenökonomie und Cloud-Projekten sind wichtige Zukunftsbausteine in der Branche. Wie können potenzielle Fallstricke in diesem Bereich vermieden und die Vorteile der KI-gestützten Arbeitsweise optimal genutzt werden?
Darüber wollen wir informieren, Erfahrungen weiter geben, diskutieren und uns austauschen mit unseren Podiumsexpert: innen

Prof. Dr. Malte Stieper                  Gundling Professur,  Martin-Luther-Universität-Halle-Wittenberg
                                                      Bürgerliches Recht, Recht des geistigen Eigentums, Wettbewerbsrecht
Fabian Stößer                               Rechtsanwalt in der Medienrechtskanzlei GRAEF 
Bettina Friedrich                            KI-Spezialistin Programmdirektion MDR
Stefan Pfäffle                                 Leiter Redaktion Fiktion KiKA
Jonas Baur                                    Produzent Bavaria FIction GmbH
Dr. Marie Elisabeth Müller             Expertin für KI in Journalismus und Medien, Autorin,Hochschullehrende
Steffen Boseckert                          Regie & Filmproduktion mindcore productions
Elena Kounadis                             KI-Expertin, Graphikdesignerin, Autorin
Petra Kohnen                                Moderation, TOP: Talente

 

Gespannt sein können Sie zudem auf die Auslobung eines tollen TOP: Talente Preises für eine fiktionale Drehbuchentwicklung mit redaktioneller Unterstützung und Realisierungsmöglichkeit durch KiKA. 

Die kostenfreie Veranstaltung findet im Rahmen der „Masterclas Autor: innen Sachsen-Anhalt statt“.  Sie erhalten nach dem Anmeldeschluss (5.2.) eine Bestätigung. Bei Überbuchung erhalten Mitglieder von TOP: Talente den Vorzug.

Anmeldung unter: berlinale@toptalente.org
Achtung: Laut LV-Hausordnung ist der Einlass nur möglich mit einer E-Mail-Bestätigung Ihrer Anmeldung durch TOP: Talente.