7. Köln/Bonner Branchentreff für TV- und Filmschaffende

Migranten in Film und Fernsehen

Stereotype Rollenmuster oder multikulturelles Miteinander?

Papst Franziskus besucht die Insel Lampedusa, das Ziel Tausender afrikanischer Bootsflüchtlinge in Italien, die ihr Leben aufs Spiel setzen, um Armut und Verfolgung zu entkommen. Er prangert die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ an und fordert Mitmenschlichkeit. Sein Besuch wird weltweit übertragen. Es ist gut, dass der Papst darauf aufmerksam macht bei seiner ersten Dienstreise, es hat Symbolwirkung.

Beim 7. Köln Bonner Branchentreff Anfang Juli im Maternushaus ging es auch um Menschen, die ihre Heimat verlassen haben. Sie wollen ein neues Zuhause finden, sie haben ein neues Zuhause gefunden und dennoch werden ihre Lebensstile und Lebensauffassungen von der neuen Gesellschaft teilweise nicht erkannt oder rundweg falsch dargestellt – zumindest in der Film- und Fernsehwelt.

Aycha Riffi, Leiterin der Grimme-Akademie, konnte nur bestätigen, dass sich Bürger mit Migrationshintergrund im Fernsehen nicht immer fair und ausgewogen dargestellt finden. Mit dem bereits abgeschlossenen europäischen Projekt „Migrants in the Media“, an dem sich das Grimme-Institut beteiligt hat, wollte man den Austausch und die Interaktion zwischen Fernsehmachern und Migranten durch journalistische Qualifizierung verbessert.

Film und Fernsehen könnten noch eine viel größere Rolle spielen bei der Förderung gesellschaftlicher Vielfalt und Integration, wenn sie nicht nur Klischees bedienten. Durch medienwissenschaftliche Untersuchungen weiß man, dass mediale Darstellungen Orientierung zu Alltagsproblemen geben und Rollenmodelle für ein modernes Miteinander anbieten. So haben Dokumentationen, Serien und Spielfilme messbaren Einfluss auf die Vermittlung von Realitätsbildern, die sich auf Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster beziehen. Sie erfüllen also wichtige gesellschaftliche Funktionen. Vor allem junge Menschen mit Migrationshintergrund finden sich nicht wieder und kritisieren ihre Darstellung in den Medien. Das illustriert laut Aycha Riffi das Kooperationsprojekt „Das soll ich sein?!!“ zwischen doxs!, der Grimme-Akademie Marl und dem Max-Planck-Gymnasium Duisburg. Im Rahmen von „Das soll ich sein?!“ untersuchten Kinder und Jugendliche die Darstellung von kultureller Vielfalt im deutschen Fernsehen und präsentierten ihre Ergebnisse TV-Vertretern und Filmemachern.

Wie schwierig es ist die Lebenswelt von Migranten unverfälscht Im Fernsehen zu zeigen, machte Bettina Braun klar an ihrer filmischen Langzeitbeobachtung in der Dokumentar-Trilogie „Was lebst du? – Was du willst – Wo stehst du?“, für die sie in diesem Jahr den Grimme Preis erhalten hat. Jahrelang hat sie hartnäckig dafür gekämpft, einen Sendeplatz zu erhalten für eine Dokumentation, die eine Gruppe junger Migranten in ihrem Alltag zum Erwachsenwerden begleitet. ZDF und ARTE haben schließlich die Geschichte von Ali, Kais und Alban ausgestrahlt. Ihre Heimat ist Deutschland, sie leben in Köln und ihr Weltbild ist geprägt von der muslimischen Kultur der Eltern. Ihre Familien stammen aus Marokko, Tunesien, Albanien und der Türkei. Vor zehn Jahren lernte Bettina Braun die damals zwischen 16 und 20 Jahre alten Jungen im Kölner Jugendzentrum Klingelpütz kennen, wo sie den Großteil ihrer Freizeit mit rappen verbringen. Sie zeigt den Branchentreff-Teilnehmern Ausschnitte aus allen drei Filmteilen. Jugendliche mit Migrationshintergrund erkennen sich hier eindeutig wieder, denn die Protagonisten sprechen selbst. Die Heranwachsenden sprechen in ihrer Sprache über ihre Ziele, ihre Hoffnungen und Träume. Durch sie selbst kann man hautnah miterleben, welche Rolle Religion, Kultur, Familie und Integration spielen.

Abgerundet wurde der Branchentreff-Abend durch die Frage: Welchen Stellenwert haben in der deutschen Medienwelt Vertreibung und Flucht und damit ungewollt Migration, die Deutschland nicht direkt betreffen?

Die Dokumentarfilmerin Maria von Blumencron hatte zwar große Schwierigkeiten eine Flüchtlingsgruppe von Tibet aus über den hohen Nangpa La nach Nepal und weiter nach Indien zu begleiten, aber überhaupt keine Schwierigkeiten ihre Dokumentationen im ZDF, bei 3Sat und Phoenix unterzubringen. Sie berichtete darüber, wie sie von der chinesischen Polizei verhaftet wurde, ihr Fluchthelfer musste sogar für zweieinhalb Jahre in Folter-Haft. Diese Erfahrung verarbeitete sie Jahre später zusammen mit dem Fluchthelfer in der Dokumentation „Good Bye Tibet“. Zuvor gelang ihr mit „Flucht über den Himalaya“ die Dokumentation tibetischer Flüchtlinge von der nepalesischen Seite des Himalaya. Die Branchentreff-Teilnehmer konnten den Abstieg von sechs tibetischen Kindern und deren weitere Reise bis in das nordindische Dharamsala, wo die vier Mädchen und zwei Jungen in einem tibetischen SOS-Kinderdorf unterkamen, miterleben.