Familienbilder im Fernsehen und in der Gesellschaft

"Die Zuschauer wollen Lösungen"

Tagung in Hirschberg beleuchtete "Familienbilder im Fernsehen und in der Gesellschaft"

Soll die Gattin von Professor Brinkmann arbeiten gehen? Diese Frage bewegte in den 80-er Jahren einige Folgen lang die eingefleischten Fans der "Schwarzwaldklinik". Sogar das Familienministerium soll sich damals zu Wort gemeldet haben. Ein ähnlicher Straßenfeger war die Serie "Ich heirate eine Familie", in der viele Zuschauer erstmals einer ,Patchwork-Familie" auf dem Bildschirm begegneten. Heute ist sie eine Selbstverständlichkeit geworden, ebenso wie alleinerziehende Mütter und Väter. Die traditionelle Familie ist auf dem Rückzug in einer Gesellschaft mit unterschiedlichsten Lebensentwürfen. Wie die Macher von Unterhaltungssendungen und Serien im Fernsehen auf diese Entwicklung reagieren, war Thema einer Tagung auf Schloss Hirschberg, die das "Zentralinstitut für Ehe und Familie in der Gesellschaft" (ZFG) an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (KU) und der Verein "TOP.Talente e.V." gemeinsam ausrichteten.

FAMILIENREALITÄTEN

Der Kontakt zum Familieninstitut an der KU entstand über ZFG-Mitarbeiterin Dr. Stefanie Haas, die bei "TOP:Talente" eine Drehbuch-Ausbildung für Quereinsteiger absolvierte. Mit der Tagung in Hirschberg bietet sich laut Haas für Autoren und andere Fernsehschaffende die rare Möglichkeit, sich mit Wissenschaftlern an einen Tisch zu setzen und ihre Arbeit zu reflektieren: Welche Einstellung zum Menschen, zur Gesellschaft und zum Leben vermitteln unsere Filme? Daneben gehe es bei der Tagung aber auch um die Familien vor dem Fernseher. Werden diese überhaupt noch als Ganzes von den Programmmachern angesprochen oder sitzt längst jeder vor seinem eigenen TV- oder Computer-Bildschirm?

Über Familie aus wissenschaftlicher Sicht berichteten zunächst Prof. Dr. Bernhard Sutor und Prof. Dr. Heinz Otto Luthe vom Eich-stätter ZFG. Luthe schilderte die Entwicklung hin zur bürgerlichen Kleinfamilie mit strenger Rollenteilung, die zum Idealtypus von Familie an sich hochstilisiert worden sei. Im Zeichen von Gleichberechtigung und Berufstätigkeit der Frau habe sich das Familiengefüge gewandelt, nicht aber die Idealisierung der Familie mit überhöhten Erwartungen der Partner aneinander. Sutor sprach über "Familienbilder der Kirche und die gesellschaftliche Realität" und forderte dabei die Kirche auf "aus ihrer Defensive herauszukommen" und Antworten zu geben auf heutige Probleme im Bereich Ehe und Familie.

Themenbereiche wie Scheidung, wiederverheiratete Geschiedene, vor- und nacheheliche Partnerschaften "gehören aufgearbeitet". Der Einfluss der Medien auf das Familienbild in den Köpfen der Menschen werde gern überschätzt, meinte Sutor im Gespräch mit der KiZ, "ich glaube, da muss man vorsichtig sein".

Welche Rolle das Thema Familie in ihrer Programmplanung hat, schilderten anschließend Vertreter verschiedener großer Sendeanstalten. Pro 7-Redakteurin Regine Beutel verwies auf die "extrem junge Zielgruppe" ihres Senders, für die das Thema Familie höchstens am Rande von Bedeutung sei. Gefragt seien etwa amerikanische Serien, in denen Freundeskreise Familien ersetzen. Auch zu den erfolgreichen "Doku-Soaps" der Privatsender nahm Beutel Stellung.

"Dokumentarisches - das funktioniert sehr gut", ob es um ungewollt Kinderlose, Eltern auf Jobsuche oder um besonders ,schrille' Familien gehe. Eines aber sei den Zuschauern wichtig: "Am Ende möchten sie immer eine Lösung, ein gutes Gefühl haben".

Dass harmonieträchtige Familienserien in der ARD stets eine wichtige Rolle spielten, ja sogar "die Keimzelle fiktionalen Erzählens" gewesen seien, betonte Dr. Bernhard Gleim, Leiter der Redaktion "Serien" beim NDR. Neben der "klassischen" Familie gebe es auch die "Berufsfamilie" (wie etwa die Polizeiserie "Großstadtrevier") und in jüngster Zeit die "multikulturelle" Familie. Abendliche Unterhaltungsserien drehten sich, so Gleim, häufig um Frauen mittleren Alters, die sich neu orientieren und es allen nochmal zeigen wollen. Auch pfiffige Nonnen oder clevere Hobbydetektivinnen gehörten in diese erfolgreiche Kategorie. Auffallend sei dass in Serien oft Ärzte, Rechtsanwälte oder andere Mittelständler als Problemloser "von fast pastoraler Kraft" aufträten: "Sie überreden die junge Mutter, ihr Ungeborenes zur Welt zu bringen und bewahren gleichzeitig die Oma vor der Abschiebung ins Altersheim".

Junge Familien in der Gesellschaft sähen sich heute wachsendem ökonomischen Druck ausgesetzt, meinte Gleim. Die "optimistische Grundstimmung" in Sachen Familiengründung sei daher gewichen und in den Serienredaktionen herrsche "gewisse Ratlosigkeit".

Auch Alexander Ollig von der Hauptredaktion "Wort" des ZDF meinte, sein Sender habe sich, nachdem Familienmodelle a la "Ich heirate eine Familie" immer wieder in ähnlicher Form durchgespielt worden waren, "irgendwann von den Familienformaten verabschiedet". Dies liege zum einen daran, dass sich die Familien längst nicht mehr - wie noch in den 80-er Jahren - geschlossen vor dem Bildschirm versammelten, sondern dass "Sprachlosigkeit" herrsche. In vielen Haushalten gebe es zwei oder mehr Fernsehgeräte und jeder interessiere sich in erster Linie für das Programm seiner Zielgruppe.

Eine Medienfrau aus der Runde verwies in der Diskussion auf die jüngsten Shell-Jugendstudien, denen zufolge die Sehnsucht junger Leute nach einer eigenen Familie trotz schwieriger Rahmenbedingungen so groß wie nie zuvor sei. Aber gerade diejenigen Sender, in denen sie sich mit solchen Plänen noch am ehesten wiederfinden könnten, sind bei ihnen nicht angesagt. Alexander Ollig: "Es gibt unter 20-Jährige, die das ZDF nicht mal kennen!".

Gabi Gess

STICHWORT "TOP: Talente"

Dieser Kreis vereint Autorinnen und Autoren, Produzenten, Redakteure und Regisseure, die sich bei ihrer Arbeit an einem christlichen Menschenbild orientieren wollen. Der Geschäftsführer des 2002 gegründeten, gemeinnützigen Vereins, Dr. Anton Magnus Dorn, war viele Jahre in der Ausbildung katholischer Journalisten tätig. Das nächste Seminar des Vereins wird sich um das Thema "Kinder und Fernsehen" drehen und beim Sender "Ki.Ka" in Erfurt stattfinden.