Sünde im Film

Eine interdisziplinäre Begegnung zwischen Filmschaffenden und Wissenschaftlern im Herzen des Vatikan: Rund 50 Autoren, Producer und Redakteure trafen sich im März zu einer Fachtagung zwischen Erzähltheorie und christlicher Weltanschauung. Mit "Sünde im Film: Schuld, Strafe und Vergebung - essentielle Begriffe heutiger Dramaturgie" umschrieben der Münchner Verein Top:Talente, eine Fortbildungs-Einrichtung für Autoren und Producern, und die Katholische Fernseharbeit ihre Tagung im Campo Santo Teutonico, der ältesten deutschen Nationalstiftung Roms. Der spirituellen Einfluss demonstrierende Veranstaltungsort erwies sich als symbolisch für den Verlauf der Konferenz.

"Alles, was verboten ist, ist spannend für Autoren": In der dramatischen Relevanz von "Sündenfällen" aller Art Stoffe waren sich alle Teilnehmer einig. Sünde als Entgrenzung und negative Aufladung der menschlichen Existenz, als Entfernung des Menschen vom eigenen Wesen und die universelle Sehnsucht nach ihrer Überwindung sind fiktionale Ur-Motive. In seiner "Ausrichtung auf ein Ende" gibt das Konzept "Sünde" Handlungen und Beziehung dramatische Impulse. Auch in Zusammenhang mit ihrer Ahndung bzw. Vergebung verkörpert Verfehlung traditionelle erzählerische Konvention, die ein Ideal konstruiert und es an menschlichen Unzulänglichkeiten kontrastiert.

Die Filmbeispiele aus dem TV-Bereich - "Jenseits" von Max Färberböck, "Mutterglück" von Christian Görlitz und "Unter dem Eis" von Aelrun Goette - zeigten in labyrinthischen Geschichten um Kontrollverlust, moralische Verstrickung und das Recht auf Leben nach der Sünde unterschiedliche erzählerische Verfahren in Hinsicht auf Sünde und Sanktion. Allen Filmbeispielen gemeinsam war eine Ambivalenz der Täter- und Opferrollen, in der Vergebung Ausdruck persönlicher Freiheit ist. Weniger mehrdeutig ist hierbei die katholische Auffassung: Die kirchliche Lehre versteht Gnade und Erlösung als "unverdiente göttliche Zuwendung". Gott als Autorität stehe hier der (Gewissens)freiheit des Menschen gegenüber. Erlösung bzw. "comic relief" aus Vorträgen und Filmbeispielen voller Mord, Gewissenserforschung und komplizierter Schuldkomplexe bot zum Schluss der Tagung die Komödie "Wer früher stirbt ist länger tot" von Marcus H. Rosenmüller. Der Kinoerfolg lieferte den Beweis, dass "Sünde im Film" nicht nur erzählungstheoretisch, christlich-moralisch oder tiefenpsychologisch verhandelt werden muss, sondern auch - durchaus in der Kombination dieser Ansätze - als erbauliche Unterhaltung wirken kann.

Christina Raftery