TOP: Talente Branchentreff Berlinale 2019 in Kooperation mit der Produzentenallianz

„Der Kinofilm muss wie ein Traum oder ein Alptraum sein, auf jeden Fall möchte ich mittendrin sein“, erklärte Moderator Uli Aselmann den weit mehr als 200 geladenen Gästen zu Beginn des Expert*innen-Gesprächs. Der Produzent und Kinosektionsvorstand der Produzentenallianz weiß wovon er spricht beim Thema „Der Deutsche Kinofilm und sein USP im Vergleich zu anderen Bewegtbildangeboten“. Mittendrin sind die Zuschauer*innen im Kino, wo denn sonst. Nur hier entstehe das Gemeinschaftsgefühl, betonte Isabel Hund, die als Executive Vice President German Production & Acquisition den Bereich Produktion und Einkauf Deutscher Film beim Studiocanal leitet. „Wir gehen ins Kino, das Licht geht aus, wir lachen gemeinsam, wir weinen gemeinsam, wir fühlen große Emotionen.“

Dieses hautnahe Erleben von Kinostoffen haben 2018 leider nicht mehr so viele Kinobesucher genutzt. Fest gemacht wird dies an der Zahl der Kinogänger*innen, die im letzten Jahr erneut gesunken ist um fast 14 Prozent auf 105 Millionen. Dafür gibt es viele Gründe. Das liegt laut Dr. Thomas Negele, Kinobesitzer und Vorstand HDF Kino e.V., nicht allein am Erfolg der Streaming-Dienste. „Kinobesitzer müssen neu denken, sie müssen neue Konzepte entwickeln“, fordert er von seiner eigenen Branche. „Wenn man 765 Filme abspielt im Jahr, dann weiß der Kunde gar nicht, was wann läuft“. Die unterschiedlichen Zielgruppen müssten also Orientierungshilfen erhalten, um den Wohnzimmer-Konkurrenten Netflix und Amazon Prime etwas entgegen zu setzen.

Für die Probleme der Kinos sei auch der mangelnde Nachschub an Kassenschlagern aus Hollywood verantwortlich. Deutsche hätten keine Lust mehr verflachte US-amerikanische Filme zu sehen, stellte Negele weiter fest, sie genügten Deutschland als einem „Hochkulturland“ nicht mehr. Sie könnten dem Anspruch an Qualität nicht mehr gerecht werden. Das Kinogeschäft lebe nun einmal von der Attraktivität des Filmangebots. Für Uli Aselmann drängt sich da sofort die Frage auf, ob der deutsche Kinofilm inhaltlich neu justiert werden müsse, um wieder interessanter und attraktiver zu sein?

Beim Film Toni Erdmann unterstrich Janine Jackowski, Produzentin von Komplizen Film, wurde alles „richtig“ gemacht. Er ist ein großer Erfolg, wurde in über 100 Länder verkauft und zählt zur Weltklasse. Die Kritiker attestierten ihm „liebenswert, hinreißend komisch und überaus klug“ zu sein. Das gelinge Filmen insbesondere dann, wenn von vorneherein klar sei, was ein Projekt brauche, welches Publikum es anspreche und wo es hin wolle, betonte Jakowski.

Für Markus Goller, Filmregisseur und Filmeditor, können Zielgruppen unterschiedlich erreicht werden. So wollte er mit seinem Familienfilm Simpel „Menschen, die mit dem Herzen schauen, ansprechen“. Das tragikomische deutsche Roadmovie wurde zwar nicht zum Kassenschlager, feierte aber Erfolge und wurde mit Preisen ausgezeichnet. Auch das MofaMovie 25 km/h als unterhaltsamer Selbsterfahrungstrip, das Markus Goller und Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg gemeinsam verwirklicht haben, war sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern sehr erfolgreich.

Um die Qualität des deutschen Films weiter zu verbessern, wünscht sich die Expert*innenrunde mehr Zeit und bessere finanzielle Unterstützung bei der Drehbucherstellung. Hier könne die deutsche Filmförderung noch einiges verbessern. Denn nach wie vor gilt: Der deutsche Film wird neue Aufmerksamkeit erhalten, wenn er als qualitativ guter Film Emotionen weckt und sein Publikum begeistert. Das ist die beste Werbung. Dann wird aus der Empfehlung „den kann man sich mal anschauen“ die Aufforderung „den musst Du Dir unbedingt im Kino sehen“.

 

Fotos: Michael Geidel / Petra Kohnen