WAHRHEIT IM FILM
Das Feedback auf das Symposium vom 23.-25. März 2023 in Rom ist ausgesprochen gut und ohne Ausnahme positiv. Zum Gelingen der Tage mit den excellenten Vorträgen, den angeregten Diskussionen und dem intensiven fachlichen Austausch haben alle Fachleuten aus Filmbranche, Geisteswissenschaften und Medien beigetragen.
Das nächste Symposium vom 21. bis 23. März 2024 ist bereits in Vorbereitung.
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IN MOVIE VERITAS
Wahrheit im Film
Filmemacher:innen erzählen Geschichten: manchmal rein fiktiv, manchmal „basierend auf einer wahren Geschichte“ und manchmal mit dokumentarischem Anspruch. Wieviel Wahrheit steckt darin, auch in fiktiven Werken? Was ist „Wahrheit“ abgesehen von nackten Fakten? Und worauf müssen Filmleute achten, um eine authentische und glaubwürdige Botschaft zu vermitteln im Zeitalter wachsender Medienskepsis und postfaktischer Bewegungen? Diesen und weiteren Fragen widmete sich die 16. Filmtagung von Top:Talente in Rom mit prominenten Referent:innen aus der Filmbranche, der Politik und der Wissenschaft.
Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur a.D., machte den Anfang mit ihrem Vortrag über „Wahrheit in Kunst und Kultur“. Nach einer philosophischen Reise durch die Zeit fasst sie zusammen, dass die Suche und die Sehnsucht nach Wahrheit ein bis heute ungelöstes Problem darstellt. „Man wird alles Wissen mit dem Vorzeichen des Bezweifelbaren versehen — und trotzdem darauf aufbauen, daran anschließen müssen“ (Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien. 1995). Gerade kreative Menschen müssen doch einen Umgang damit finden, wie sie Wahrheit begründen, erschaffen, erzählen, darstellen oder präsentieren möchten.
Mit Wolfgang Kemp unterscheidet Grütters zwischen „Wahrheit in der Kunst“ und „Wahrheit der Kunst“. Denn dass die Kunst uns etwas zu vermitteln vermag, uns „aufrütteln und verändern“ kann, steht für sie außer Frage. Fraglich ist, was wir mit Wahrheit meinen, wenn wir fragen: „Was ist echt, was ist überprüfbar, was ist sinnlich erfahrbar? Was ist beständig, worauf kann ich mich verlassen, was ist verbindlich – wahre Freundschaft, wahre Liebe –, was ist richtig?“ In der „postfaktischen Zeit ist die Frage nach Wahrheit existenziell für viele Bereiches des Lebens, zwischenmenschliche Beziehungen, Glaube, Kunst …“ Mit „Rashomon“ nennt Monika Grütters ein Beispiel für den künstlerischen Umgang mit Wahrheit. Der japanische Film von 1950 unter Regie von Akiro Korosawa gilt als Klassiker und internationaler Meilenstein des Kinos. „Er zeigt, wie subjektiv das Empfinden von Wahrheit sein kann“.
Film: Tausend Zeilen
„Dieser Film ist eine Fiktion. Vieles ist aber genauso passiert. Das meiste haben wir uns allerdings ausgedacht. Ganz ehrlich!“ Mit diesem Disclaimer durchbricht der Film „Tausend Zeilen“ von Michael „Bully“ Herbig gleich zu Beginn die vierte Wand zum Publikum. Es handele sich also bloß um eine Geschichte: über die Lügengeschichten des Star-Reporters Lars Bogenius (gespielt von Jonas Nay). Inspiriert ist die Produktion vom Buch „Tausend Zeilen Lüge“, das der Spiegel-Journalist Juan Moreno verfasste, nachdem er den Schwindel-Skandal um den preisgekrönten Spiegel-Journalisten Claas Relotius aufgedeckt hatte. Eine tiefe Krise für die Glaubwürdigkeit des Qualitätsjournalismus in Deutschland nahm ihren Lauf.
Hermann Florin, Drehbuchautor des Films, und Journalist Juan Moreno selbst (im Film gespielt von Elyas M’Barek) stellten den Film auf dem Symposium in Rom vor und warfen damit Fragen über Wahrheit in der Fiktion auf. „Vieles ist aber genauso passiert“, heißt es im Film. Wieso ist das wichtig? Die Story nimmt sich den Umgang mit Wahrheit zum Gegenstand, ist aber weniger Dokumentation als Komödie. Wie erzählt man eine Geschichte über einen Journalisten, der bloß erfundene Geschichten erzählt?
Der Film „Tausend Zeilen“ geht als Satire auf Distanz zum ernsten Gegenstand. Hermann Florin hat es „Spaß gemacht, Leute scheitern zu sehen an ihrer eigenen Eitelkeit, und eine ernste Geschichte in einer unterhaltsamen Form zu präsentieren.“ Juan Moreno, dessen eigene Person ja im Film behandelt wird, ist „absolut fein mit dem Film. Ich war darüber sehr froh, dass das Ganze als Komödie angelegt war. […] Die Reporterwelt ist ein wenig wie die Drehbuchwelt: Man kennt sich, es gibt Stars.“
„Gibt es hinter Reportagen denn auch eine Mission?“, fragt eine Tagungsteilnehmerin. Florin: „Wir [als Filmemacher] dürfen lügen. Das ist wunderbar: Wir haben diesen Spielplatz.“ Moreno: „Es muss auch als Geschichte funktionieren. In einer Reportage genügt es nicht, nur abzubilden. Da spielen natürlich Werte eine Rolle.“ Moreno hat „Freunde, die Drehbuchautoren sind, und ich bin immer geplättet, wie ähnlich die Arbeit ist. Ich habe eine Komplizin, die die Wahrheit ist, die manchmal nervt, aber auch stark wirkt.“ Ankündigungen wie „‘nach wahren Begebenheiten‘ ziehen natürlich“. Aber die „Wahrheit“ mache nicht immer, was sie soll.
Biblische Konturen – Filmische Resonanzen
Prof. Reinhold Zwick (Universität Münster) eröffnet den nächsten Tag des Symposiums mit einem Referat über „Biblische Konturen – Filmische Resonanzen“. Viele Topoi der Bibel fließen in die moderne Filmarbeit ein, selbst „nichtintendierte Bezüge“ schaffen es über den kulturellen Background der Kreativen in die Drehbücher, was Zwick anhand einiger Beispiele zeigt. Er skizziert die die „Wahrheit“ bei den alten Propheten, die sich von falschen Propheten abgrenzen mussten. Diese „Agenten der Wahrheit Gottes“, wie Zwick sie nennt, würde man heute vielleicht „Dissidenten“ nennen, weil sie erst im Nachhinein rehabilitiert wurden und zuvor in den Lügen der „Verstärker der Herrschermeinung und der Speichellecker“ untergingen.
Die alten Propheten sind denn auch die Basis für Jesus Christus, der von sich sagt: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.“ – „Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?“ (Joh 14-18,37 f.). Das Zitat („Was ist Wahrheit?“) beschäftigte viele der Referent:innen und Tagungs-Teilnehmer. Die Tatsache, dass Pilatus sich direkt abwendet, ohne auf die Antwort auf seine Frage zu warten, regt zum Nachdenken an, ebenso wie die gemeinte Intonation. Will er abwertend fragen: „Was ist schon Wahrheit?“, oder spiegelt der plötzliche Gesprächsabbruch seinen Respekt vor der Unlösbarkeit dieser Frage wider?
„In einer Welt voller Symbole und Träume“
Prof. Susanne Heine* (Universität Wien) knüpft mit Ihrem Vortrag an die theologischen Ausführungen Zwicks an und schildert anhand des Buchs Genesis das psychologische Verhältnis der Menschheit zur Wahrheit. Das komplexe Thema bezieht sie dabei auf konkrete Beispiele aus der Geschichte und aus den Tagungs-Filmen.
In der Genesis-Erzählung beginnt das vermeintliche Unheil mit der Schlange (eigentlich ein „Schlangerich“ in der Originalsprache), die zwar lügt, aber im Wesentlichen die Wahrheit sagt: Der Preis für die Erkenntnis (verbotener Baum) ist hoch, aber es gehört zum ureigensten Wesen des Menschen („conditio humana“), alles infrage zu stellen, Verbindlichkeiten abzulegen und je nach Kontext emotional zu handeln. Dass Adam nachgibt, „bestimmt die Auslegung leider bis heute“, sagt Heine, dabei wolle die Genesis-Geschichte weniger Vergangenes verurteilen, als viel mehr die aktuelle Wirklichkeit des Menschseins beschreiben. Mit Blick auf den gezeigten Film „Tausend Zeilen“ schildert Heine die Unmöglichkeit, „subjektiv und objektiv“ rein voneinander zu trennen. Der Mensch sei allerdings ein Wesen mit Deutungsnatur: „Sinnsehnsüchtig und sinnängstlich“ (Wolfgang Hogrebe), Künstler:innen könnten dafür Wunschwelten erzeugen und Angstwelten beruhigen – oder Ängste heraufbeschwören (Stichwort: Fake News). Anhand des später gezeigten Films „Die Wannseekonferenz“ skizziert Heine mit dem Sozialanthropologen Ernest Becker die psychologischen Abgründe der Menschheit während des Nationalsozialismus und die Schattenseite der Macht der Sprache.
Wahrhaftigkeit - zu einer unterbelichteten filmischen Kategorie
Josef Lederle (filmdienst) stellt Filme vor, die er für „wahrhaftig“ hält. Von der „Wahrhaftigkeit eines Films kann ich sprechen, weil es Momente gibt, wo man die Figuren selbst seelisch deuten muss. […] Es muss ein Film sein, der von Dingen handelt, die wichtig sind, der ein Produkt seiner Zeit ist, und er muss Momente enthalten, die etwas Grundlegendes verstehen lassen.“ Filme sollten nicht vorkauen, was das Publikum danach zu denken habe. Passend zum Tagungsort stellt Lederle den Klassiker „Ein Herz und eine Krone“ (1953) mit Gregory Peck und Audrey Hepburn vor. Der Film lebt von Halbwahrheiten und Auslassungen. Es braucht Täuschung und die Verdrehung von Wahrheiten, damit die moderne Aschenputtel-Geschichte funktioniere, so Lederle. Der Film kreiere Momente, in denen Wahrheiten über die Figuren aufscheinen, selbst wo keine Dialoge stattfinden. Mit „Tár“ (2022) benennt Lederle ein hervorragendes „Psychogramm um Macht und Unterwerfung“. „Das Atemberaubende ist nicht die Story der Dirigentin, sondern die formale Radikalität, mit der der Film auf retardierende Szenen verzichtet“.
Podiumsdiskussion: Repräsentation und Wahrheit
Simone Emilius (Leiterin ZDF-Hauptredaktion International Fiction), Magnus Vattrodt (Autor), Daniela Mussgiller (Leiterin MDR-Hauptredaktion Fernsehfilm, Serie und Kinder) und Benedikt Röskau (Drehbuchautor und Regisseur) eröffnen die allgemeine Podiumsdiskussion.
Zu Beginn widmet sich Daniela Mussgiller der Frage, ob Menschen im Osten Deutschlands vom Fernsehprogramm repräsentiert werden. Viele Filmemacher sähen alles durch eine westdeutsche Brille, prinzipiell aber glaubt Mussgiller, „dass es Filmemacher gibt, die sich Stoffe aneignen können, obwohl sie das alles jetzt nicht so erlebt haben.“ Sie habe es sich zum Ziel gesetzt, „Filme aus der Region gegenwärtig zu erzählen; die sich mit den Menschen beschäftigen … da können wir am besten andocken: wo die Menschen gerade sind, nicht nur historisch.“ Magnus Vattrodt ergänzt: „Was ist denn der Impuls, warum man erzählen will? ‚Wir brauchen jetzt Geschichten für den Osten‘ – wenn das der ganze Grund ist, so einen Film zu machen, dann spüren die Gemeinten das. Wenn ich mir jetzt so ein Osthütchen aufsetze, da würde ich mich auf die Klappe legen. Wenn ich mich authentisch interessiere, und Zwischentöne erzähle, dann geht es besser.“
Benedikt Röskau, der dafür bekannt ist, Filme zu machen, die sehr nah an wahren Begebenheiten sind, berichtet davon, dass er wegen seines Films über Missbrauch an der Odenwaldschule verklagt worden ist. Der Prozess ging sieben Jahre lang. Eine Beschwerde war, dass im Film eine neue Figur, eine gescheite Lehrerin, eingeführt wird, die es so an der Schule nicht gegeben habe, und die sich betroffene Schüler gewünscht hätten. Das Urteil lautete: „Nur weil jemand bei einem Ereignis dabei war, kann er nicht darüber bestimmen, wie darüber erzählt werden kann“. „Wir erfinden natürlich Welten“, so Röskau, „dabei wahrhaftig zu bleiben, hat auch eine politische Dimension.“ Fiktionen wühlen einige Leute stärker auf als Dokumentationen, die zudem seltener Klagen nach sich ziehen. „Denn in Dokus geht es um Fakten oder die Wahrheit, aber im Spielfilm geht es um Wahrhaftigkeit“.
Simone Emmelius dazu: „In dem Moment, wo ich den Anspruch erhebe, ich präsentiere Information, suggeriere ich dem Publikum Glaubwürdigkeit. Aber Fiktion geht zutiefst über Emotion, und die überspringt rationale Verarbeitungsprozesse im Hirn.“ Für Röskau sind Emotionen „das Wahrhaftige. Die Geschichte einer betroffenen Familie bringt mehr als trockene Zahlen.“ Im weiteren Verlauf der Diskussion geht es um die Wirkmacht der Filme, um die Notwendigkeit der Manipulation (etwa durch Auswahl oder Auslassung) und die Tücken der Emotionalisierung. Susanne Heine mahnt an: „Emotionen sind etwas höchst Gefährliches. Sie gehören zum Prinzip der Überredung. Wenn ich über Emotionen kurzgeschlossen werde, bin ich betäubt.“ Röskau: „Wir sind die einzige Kulturnation, die Emotionalität so stark hinterfragt. Natürlich manipulieren wir. Das ist die Königsdisziplin. Wie man Emotionalität herstellt, ist eine der höchsten Künste, die wir haben. Die Frage ist halt: Wofür benutzen wir das?“
Film: Und einer steht auf und öffnet das Fenster
Doris Zander (Produzentin), Astrid Ruppert (Drehbuchautorin), Till Endemann (Regisseur, Autor) und Stefan Kruppa (Redaktion ARD Degeto) stellen den Film „Und einer steht auf und öffnet das Fenster“ (2022) vor. Iris Berben spielt darin eine sterbende Frau, die mit sich und den grundlegenden Fragen des Todes ringt. Godehard Giese spielt ihren unerfahrenen Sterbebegleiter, der häufig an seine Grenzen kommt. Über den Sohn des ehrenamtlichen Sterbebegleiters gelingt es später doch, einen Zugang zur todkranken Frau zu finden.
„Die Frage ist, mit welchem Bewusstsein gehen wir und wie leben wir?“, fragt Doris Zander, die verrät, dass die Geschichte auch zu ihrer eigenen Biografie passt. Deshalb habe sie sich direkt darum beworben, das Buch verfilmen zu dürfen: beim Verlag des Romans und dessen Schriftstellerin Susann Pásztor. Astrid Ruppert berichtet, dass es nicht ganz leicht gewesen sei, dem Roman treu zu bleiben, ihn aber so zu verändern, dass er als Film funktioniere. Der Film stelle fünf Außenseiter vor, „in die ich mich spontan verliebt habe. Man macht sich ständig Gedanken über irgendeinen Kleinscheiß, aber nicht um die wichtigen Fragen“. Die Figuren des Romans steuern auf „diesen Moment der Wahrheit zu, ohne ihm auszuweichen“, ihr Humor soll das Thema erträglich machen.
„Auch mich hat dieser Roman sehr berührt“, sagt Till Endemann, „einzusteigen in die Seelen, in die Einsamkeit. Natürlich stirbt in dem Film auch eine Frau, aber es ist auch eine Ode an das Leben, und das hat uns darin bestärkt, dass es eigentlich ein lebensbejahender Film ist.“
Wahrheit im Film – Wahrheit in der Fiktion
Am Abend des zweiten Symposium-Tages bieten der Vatikan-Journalist und Bestsellerautor Andreas Englisch und Severina Bartonitschek, Redakteurin der Katholischen Nachrichtenagentur in Rom, Einblicke hinter die Kulissen der katholischen Kirche. Den dritten Tag eröffnet der Jesuit und Medienwissenschaftler Peter Lah SJ mit einer Meditation auf einem Hügel hinter dem Tagungshaus. Dafür greift er die genannte Bibelstelle um Pontius Pilatus auf, der Jesus fragt: „Was ist Wahrheit?“
Prof. Andrea de Santis (Rom) widmet sein Referat philosophischen Grundsatzfragen um „Fiktion“ im Verhältnis zu „Wahrheit“ sowie medientheoretischen Beobachtungen. Das lateinische „Fictio“ bezeichne den „Akt des Tuns / Bildens / Schaffens“, des Nachbildens im Sinne einer Simulation oder Hypothese. De Santis unterscheidet zwischen dem „unvermeidlich Fiktiven, wo das Wahre durchzuscheinen vermag“, und der „Fiktion, die die Wahrheit verdeckt“. Schon Platon kenne wahre und unwahre Fiktion: Es gehört zum Sein des Bildes, das es nicht das Abgebildete ist. Wäre das Bild identisch mit dem Abgebildeten, hätten wir zwei Dinge. Das Bild soll aber das Abgebildete möglichst nachahmen. De Santis zeigt Beispiele, in denen Autoren und Filmschaffende bewusst mit ihrer eigenen Wahrnehmung, aber auch mit der Wahrnehmung des Publikums spielen, neben dem genannten Klassiker „Rashomon“ stellt er beispielsweise Buster Keatons „Sherlock Jr.“ (1924) vor.
Die Wannseekonferenz
Reinhold Elschot (Produzent) und Magnus Vattrodt berichten von dem ungewöhnlichen Konzept des Spielfilms „Die Wannseekonferenz“. In dem Einakter werden die Männer gezeigt, die den Holocaust planen. Vattrodt: „Erst als klar war: Wir machen es karg und auch so nüchtern, wie es jetzt erzählt wird, war mir klar: So kann das funktionieren.“ Elschot ergänzt: „Es gibt auch Konzepte, das Grauen darzustellen. Das kam für uns nicht infrage. Es darzustellen macht es relativ und klein. Wir kamen dann auf das Protokoll, das es ja gibt. Ein Exemplar ist gefunden worden, die Konferenz war eigentlich geheim.“ Vattrodt erläutert die Entstehung des Drehbuchs auf Basis des Protokolls: „Wir lassen alles raus, wir laden es nicht auf. Wir wollen keine Ablenkungen.“ Während die Nazi-Funktionäre im Film über Kleinigkeiten ringen, verliere man „eigentlich aus dem Blick, worum es hier geht, dass die die ganze Zeit über Mord sprechen“, so Vattrodt. Auf diese Weise entstehe eine subtile Spannung.
Simone Emmelius zitiert aus einer eigentlich negativen FAZ-Kritik: „Der Film ist so gut gemacht, dass man meinen könnte, die Wannseekonferenz wäre wirklich so gewesen“. Zwar sei der Film bloß eine Inszenierung eines realen Geschehens. Andererseits sei die „Verflechtung von Wahrheit und Fiktion sehr gelungen“, so De Santis, der die Frage in den Raum stellt: „Welche Fiktion lässt Wahrheit durchleuchten und welche nicht?“
Bericht: Philipp Adolphs Fotos: TOP: Talente
TOP: Talente hat zu den Vorträgen und Referaten in Originalfassung folgenden Link
Das erfolgt sobald die Autoren:innen freigeben, was zum Teil nach der Veröffentlichung in der Fachpresse oder als Buch erfolgt. *)Den Anfang wird in Kürze ein Link zum Vortrag von Frau Prof. Susanne Heine machen. Die Lektüre ist zu empfehlen, weil von ihr die drei gezeigten Filme „Tausend Zeilen“, „Und dann steht einer auf und öffnet das Fester“ und „Die Wannseekonferenz“ religionspsychologisch interpretiert werden.
Fake News, gefühlte Wahrheit, alternative Fakten: Was unterscheidet Wahrheit von Logik und wo liegen die Grenzen der Erkenntnis? Von Do., 23.03., bis Sa., 25.03., präsentieren wir u.a. drei ausgewählte Filme, die sich der Frage nach Wahrheit im Film widmen.
Wenn es um Liebe und Tod, Gott und Menschen geht, brauchen wir eine Sprache der Bedeutsamkeit, mit der gerade auch die Wahrheit von Fiktionen erschlossen werden kann. Dazu müssen Geschichten erzählt, Bilder, Gleichnisse, Symbole und Metaphern verwendet werden – so wie in „Tausend Zeilen“, „Die Wannseekonferenz“ oder „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“.
Erst Filme schauen, mit den Regisseur*innen und Drehbuch-Autor*innen darüber diskutieren und im Anschluss beim gemütlichen Abendessen (im Preis inklusive) die Gespräche fortführen und neue Kontakte knüpfen - eine einmalige Gelegenheit!
PROGRAMM und REFERENT*INNEN
Donnerstag, 23. März 2023
14.00 Begrüßung und Programmüberblick
14.15 Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin a.D.: Wahrheit in Kunst und Kultur. Vortrag und Aussprache
16.30 Tausend Zeilen. Film und Gespräch mit Hermann Florin, Filmpoduzent, und Juan Moreno, Journalist und Schriftsteller.
19.30 Gastmahl im „La Vittoria“
Freitag, 24. März 2023
09.00 Peter Lah SJ, Universität Gregoriana - Meditation
09.15 Prof. Dr. Susanne Heine, Universität Wien: Wahrheit, Lüge und seelische Turbulenzen. Vortrag / Aussprache
11.30 Prof. Dr. Reinhold Zwick, Universität Münster: Was ist Wahrheit? (Joh 18,38).
Biblische Konturen – Filmische Resonanzen. Vortrag mit Filmausschnitten
(12.45 – 14.00 Mittagspause)
14.00 Josef Lederle: Wahrhaftigkeit. Gedanken zu einer unterbelichteten filmischen Kategorie.
14.30 Podiumsdiskussion zum Tagungsthema
Dr. Simone Emmelius, Leiterin ZDF-Hauptredaktion International Fiction (Moderation)
Daniela Mussgiller, Leiterin Hauptredaktion Fernsehfilm, Serie und Kinder, MDR
Benedikt Röskau, Drehbuchautor, Regisseur
NN.
16.30 Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster. Film und Gespräch mit
Till Endemann, Regisseur, Autor, Synchronsprecher, Stefan Kruppa, Redakteur Degeto,
Astrid Ruppert, Drehbuchautorin und Doris Zander, Produzentin
18.30 Gesprächsangebot von Vatikan-Journalisten: Andreas Englisch und Severina Bartonitschek
Samstag, 25. März 2023
09.00 Peter Lah SJ - Meditation
09.15 Prof. Dr. Andrea De Santis: Die Frage nach der Wahrheit im Film. Philosophische Erwägungen. Vortrag
11.00 Die Wannseekonferenz. Film und Gespräch mit Magnus Vattrodt, Autor, Reinhold Elschot, Filmproduzent und
Philipp Hochmair, Schauspieler
13.00 Kamingespräch: Bilder zur Wahrheit. Wolfgang Cimera und Daniela Mussgiller
13.45 Schlussdiskussion
(Ende der Tagung gegen 14.30 Uhr)
Tagungsleitung durch Vorstandsmitglieder von TOP: Talente e.V.
23. bis 25. März 2023, Istituto Patristico Augustinianum
Via Paolo 6, Eingang gegenüber den Kolonaden, direkt hinter dem Petersplatz